«Wer nicht wählt, wählt SVP!» Diesen Slogan verbreitete die Grüne Partei diese Woche auf all ihren Social-Media-Kanälen. Den Grund für den Post benennt die Partei gleich selbst: Die aktuellen Ergebnisse des SRG-Wahlbarometers sagen voraus, dass die SVP am 22. Oktober als Siegerin aus den Wahlen hervorgehen wird.
«Hetze und Diskriminierung erhalten dadurch viel Plattform», schreiben die Grünen im Post und fügen an: «Wie können wir das stoppen?» Die Antwort ist natürlich: Grüne wählen. Denn eine Stimme für die Grünen sei eine Stimme gegen die SVP.
Ihr Slogan kommt teilweise gut an. Auf Instagram bekommt der Post über 800 Likes (Stand 29.09.23). Ein Blick in die Kommentare zeigt aber auch: Nicht wenige sind enttäuscht von den Grünen. «Ist grüne Hetze bessere Hetze?», fragt etwa eine Userin. Und ein anderer kommentiert: «Und damit, meine Lieben, lässt ihr euch auf das aktuelle, nicht sehr geistreiche Niveau der Debattenkultur ein.» Schneiden sich die Grünen mit dieser Kampagne ins eigene Fleisch?
Antworten hat Sarah Bütikofer, Politikwissenschaftlerin an der Universität Zürich und Projektpartnerin des Forschungsinstituts Sotomo. Sie sagt: «Es kann durchaus passieren, dass sich manche Wählerinnen und Wähler von ihrer Partei abkehren, wenn diese im Wahlkampf andere Parteien angreift. Dieser Anteil dürfte bei den Grünen aber relativ klein sein».
Generell sind negativ formulierte Botschaften im Wahlkampf aber nicht per se effektiver als positiv formulierte Botschaften, so Bütikofer. Sie motivierten die Wählerschaft auch nicht besser, an Wahlen teilzunehmen. Parteien könnten darum auch gut auf negativ formulierte Botschaften verzichten. Trotzdem bedienten sich inzwischen etliche dieser Methode.
Bei den Wahlen 2019 warb die SVP etwa mit Plakaten, auf denen sie die Schweiz mit einem Apfel und andere Parteien mit Würmern, die diesen Apfel zerfressen, gleichsetzte.
Ein weiteres Beispiel für dieses Vorgehen findet Bütikofer im aktuellen Wahlkampf bei der FDP. Mit Fotos von Klimaklebern machte die FDP indirekt Kampagne gegen links. «Ein Sujet, das gar nie so in der Schweiz fotografiert wurde, sondern mit künstlicher Intelligenz erstellt wurde», sagt Bütikofer.
Wahlkampf, der sich nicht auf eigene Inhalte bezieht, sondern darauf, den politischen Gegner zu «besiegen», kann gemäss Bütikofer dem politischen Klima schaden. Es könne gar dazu führen, dass sich Wahlberechtigte komplett von der Politik abwenden und gar nicht mehr wählen gehen. Denn eigentlich müssten Politikerinnen und Politiker konstruktiv sein.
Laut Bütikofer haben im Kampf um Stimmen alle Schweizer Parteien dieselbe Herausforderung: eine relativ wahlfaule Bevölkerung zu mobilisieren. Das sei bei Wahlen nämlich noch schwieriger als bei Abstimmungen.
Die Grünen haben zudem zwei weitere Hürden zu überwinden. Einerseits sagt ihnen das Wahlbarometer Verluste voraus. «Und schlechte Umfragewerte können den Effekt haben, dass sich potenzielle Wählerinnen und Wähler gar nicht mehr an die Urne begeben, weil sie bereits vor dem Wahltag resigniert haben», sagt Bütikofer. Anderseits wählen die Grüne Partei überdurchschnittlich viele jungen Menschen. «Und diese weisen wiederum eine eher tiefe Wahlteilnahme auf.»
Die Grünen sind nicht die einzige linke Partei, die in diesem Jahr bewusst Wahlkampf mit der Angst vor einem Wahlsieg der SVP macht. Anfang September schürte diese Angst auch die SP in einem Newsletter. Es lohnte sich. Nach dem Versenden des Newsletters kamen über 80'000 Franken für den SP-Wahlkampf zusammen, wie «FM1 Today» schreibt. Gespendet von einer besorgten Basis.
Und just diesen Donnerstag flatterte der SP-Wählerschaft ein weiterer Newsletter ins Postfach. «Wollen wir eine SVP-Schweiz oder ein soziales Land, in dem wir den Klimaschutz ausbauen, die Gleichstellung voranbringen und die Kaufkraft stärken?», fragt die SP darin. Denn das werde passieren, wenn linke und unentschiedene Wählerinnen und Wähler nicht abstimmen gehen würden. Genau diese Gruppe sei nämlich gemäss Politologinnen und Politologen weniger mobilisiert.
Eine Lösung bietet die SP gleich an: Die Basis soll via Mail oder SMS potenzielle Wählerinnen und Wähler daran erinnern, ihre Stimme abzugeben. 100'000 Menschen will die SP so erreichen, um den «drohenden Rechtsrutsch» zu verhindern.
Das Verhalten der SP und der Grünen kann Sarah Bütikofer nachvollziehen. Denn grundsätzlich stimme es: Wenn die Mobilisierung ungleich ausfällt, gewinnt die Partei am meisten dazu, die ihre Wählerschaft am besten an die Urne bringt. «Vor vier Jahren waren das die ökologischen Parteien. Damals blieben viele SVP-Wähler zu Hause.» In diesem Wahljahr könne die SVP wiederum gut mobilisieren. «Darum versucht die Linke, auf der Zielgeraden Gegensteuer zu geben», sagt Bütikofer.
Sowohl die Newsletter-Aktion der SP als auch der SVP-Post der Grünen seien Instrumente der Schlussmobilisierung. «In der jetzigen Phase des Wahlkampfs hat der grösste Teil der Wählerschaft bereits definitiv entschieden, welche Partei in Frage kommt. Darum versuchen die Parteien jetzt, mit lauten Kampagnen möglichst viele potenzielle Wählerinnen und Wähler an die Urne zu bringen.»
Eine Nachfrage bei den Grünen zeigt, dass Bütikofers Vermutung stimmt. «Nachwahlbefragungen zeigen, dass viele Menschen sich vorstellen können, die Grünen zu wählen, dies aber noch nicht tun», schreibt die Partei. Mit Posts wie «Wer nicht wählt, wählt SVP» wolle man diesen Menschen die Wichtigkeit der eidgenössischen Wahlen ins Bewusstsein rufen. So wird die SVP aber auch unfreiwillig zum Mobilisierungs-Motor der Linken.
Allgemein fällt auf, dass die Parteien mit negativen Aussagen auf Stimmenfang gehen. Positive Worte findet man selten, logisch ist die Stimmung dann nicht gut und der politische Diskurs "hässig".
Wie wäre es damit, gerade in Bezug auf die Migrationsthematik weniger ideologische Politik für die eigenen Reihen betreibt, sondern die Sorgen der Bevölkerung wahrnimmt? In Dänemark fahren sie ganz gut damit. Aber Politik an der Bevölkerung vorbei zu betreiben und anschliessen betteln zu müssen doch bitte nicht die SVP zu wählen ist schon ein wenig lächerlich.